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Bundesliga ohne PressetribüneEndlich mal wieder Stehplatz

Wie ganz anders der Fußball doch ist, wenn ständig Fahnen vor den Augen geschwenkt werden.

Beste Sicht, echte Fußballatmosphäre: Fanblock von Borussia Mönchengladbach Foto: Strauch/dpa

E rstmals seit Langem mal wieder Bundesliga live. Gladbach gegen Freiburg – vorentscheidend, wer womöglich die Champions League entert. Aber anders als sonst: Stehplatz irgendwo weit oben in der Kurve im Borussia Park in Begleitung von zwei Vereins-Enzyklopädien.

Die vergangenen Jahre hieß Fußball: entweder im infogepamperten Pressebereich des Stadions oder zu Hause, manchmal in der Kneipe; großer Bildschirm, Wiederholungen, viele Perspektiven, Nahaufnahmen, VAR-Erläuterungen. Fußball seziert, Fußball aufbereitet de luxe. Und Jetzt? Lauter Einmomentszenen ganz weit weg.

Die Anzeigentafel kann man auch bestäugig kaum entziffern, Infos via Lautsprecher gehen im Dauerlärm unter. Man kennt die meisten Spieler ja, aber nicht auf die weiten Distanzen. Ein Riesenraum vor einem, aber man sieht im Spiel die Räume nicht.

Auffällig die gewandelte Bierkultur: Früher trank man in Gladbach dieses Altbier, jetzt dominiert Pils.

Abgefälscht, Eigentor oder was!

Gegenüber, 150 Meter weit weg, geht die Heimelf in Führung, Die Spekulationen in unserem Borussenblock schwanken zwischen abgefälscht und Eigentor. Freiburgs schneller Ausgleich schräg unter uns, offenbar ein Kopfball. Aber dann nichts mehr zu sehen wegen der vielen Fahnen, emsig geschwenkt, direkt hinter dem Tor. „Eigentor?“ – „Keine Ahnung“ – „Ich glaube Torwartfehler.“ – „Ja, aber …“

Willi, die Enzyklopädie 1, hat Routine im Aufklären von Ungesehenem. „Guck mal, der Cardoso wird getröstet“, erkennt er beim Gang in die Pause. Also doch Torwartlapsus. Willi erklärt, dass die Fahnen für Debatten sorgen: „Für die jungen Leute gehört das zur Fußballkultur, aber wir anderen sehen nichts.“ Auffällig die gewandelte Bierkultur: Früher trank man in Gladbach dieses Altbier, jetzt dominiert Pils.

Freiburg gewann. Soweit erkennbar: hochverdient. Siegtor durch einen feinen Kopfball in der 90. Minute, anderthalb Platzlängen entfernt. „War das der Gregoritsch?“ – „Nee, ich glaub eher ein Dunkelhäutiger“, raunt einer. Gutes Auge: Johan Manzambi, 19, gerade eingewechselt, erstes Bundesligator.

Die Rückreise: erst wieder halbstündiger Fußmarsch mit Analyse von Johannes, Borussia-Enzyklopädie 2: „Das wird nichts mehr dieses Jahr.“ Immerhin weniger Autobahnstau als auf dem zähen Hinweg, dann Reststrecke auf dem Rad, bis die Luftlinie 45,3 Kilometer bewältigt sind. Knapp sieben Stunden für 90+5 Minuten. Andere sind länger unterwegs, jede Woche. Vielleicht kriegen sie dafür auch mal 90+9. Zu Hause dann fernsehen, was man alles nicht nahsah.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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2 Kommentare

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  • ...ich vergaß:



    "gib mich die kirsche bunte liga"



    Klartext

  • Nanu, Herr Müllender. Vom Golf - auf den Fußballplatz?



    Soll wohl so sein.